BLKÖ:Smetana, Friedrich

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Smetana, Augustin
Band: 35 (1877), ab Seite: 173. (Quelle)
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Smetana, Friedrich (Componist, geboren zu Leitomischl in Böhmen 2. März 1824). Der Sohn einer ungemein zahlreichen Familie – nicht weniger denn drei Söhne und elf Schwestern – blieb er der Einzige von Allen am Leben. Sein Vater, herrschaftlicher Brauer, war nicht unbemittelt und liebte die Musik. Sein Onkel ist der Prämonstratensermönch Joseph Franz, dessen Lebensskizze folgt. Im Hause fanden Quartett-Aufführungen Statt, welchen der erst vierjährige Knabe mit aufmerksamen Ohre beiwohnte. Das musikalische Talent des Knaben entwickelte sich frühzeitig. In seinen Freistunden phantasirte er auf dem Clavier und der Vater brachte die Phantasien des Knaben, der des Schreibens noch nicht kundig war, zu Papier. So geschah es denn, daß die Eltern auf einen tüchtigen Musikunterricht des Knaben, als ihm solcher zu Leitomischl zu Theil wurde, Bedacht nahmen. In Folge dessen übersiedelte der Vater nach Neuhaus, wo der Knabe von dem dortigen Chormeister Ikavec Unterricht im Piano- und Violinspiel erhielt. Dabei sang er auch in jeder Messe in der Abteikirche die Soloparthien. Vier Jahre später kaufte der Vater ein Anwesen im Czaslauer Kreise und Friedrich kam auf das Gymnasium nach Deutschbrod, einem in diesem Kreise gelegenen Städtchen. Obgleich der Vater ein großer Liebhaber der Musik war, ließ er es doch nicht zu, daß der Sohn sich ausschließlich zum Musiker ausbilde, sondern hatte vielmehr den Beschluß gefaßt, ihn die Rechte studiren zu lassen. Um aber jede gegentheilige Absicht des Sohnes von vornherein zu vereiteln, wurde, als dieser elf Jahre alt war, der Musik-Unterricht eingestellt. Die strenge Zucht des dortigen Gymnasiums wollte dem Sohne wenig behagen, und seinen unausgesetzten Bitten gelang es, daß ihn der Vater zur Fortsetzung der Studien nach Prag schickte. Smetana hatte die vierte Gymnasialclasse zurückgelegt. Die volle Freiheit, die er in Prag genoß, der Besuch von Theater und Concerten, der Verkehr mit musikliebenden Kameraden, alles zusammengenommen, hatte zur Folge, daß der Junge die Schule gar nicht mehr besuchte und nur Musik trieb. Er spielte, indem er das Piano vollends vernachlässigte, damals ausschließlich die Geige. Als der Vater eines Tages nach Prag kam, um sich über den Fortgang in den Studien seines Sohnes zu erkundigen, [174] und nun Kenntniß bekam, wie die Dinge standen, nahm er seinen Sohn mit sich auf’s Land, schrieb an seinen oberwähnten Bruder Joseph Franz, Professor in Pilsen, und bat ihn, daß sein Sohn unter dessen Aufsicht die Studien fortsetze, und so trat dieser von neuem in das Gymnasium. Damit aber seine musikalischen Passionen keinerlei Nahrung fanden, wurde er im Kloster beim Lehrer der dortigen Hauptschule in Kost und Wohnung untergebracht. Aber seine freie Zeit verbrachte er doch mit Musik, und in den Familien, welche er besuchte und die ihn oft genug einluden, war er mit seinen selbstcomponirten Polka’s, Quadrillen und anderen Compositionen ein stets willkommener Gast. In dieser Zeit traf er in Pilsen mit Katharina Kolar zusammen, die er noch aus seinem Vaterhause kannte, und die, eine tüchtige Clavierspielerin, an Smetana, ungeachtet sie sein musikalisches Talent nicht in Abrede stellen konnte, doch den völligen Abgang solider theoretischer Kenntnisse gewahr wurde, und ihm rieth, sich bei Proksch vollkommen auszubilden. Auf diese Weise aufmerksam gemacht, eröffnete S. seinem Onkel seine ausgesprochene Neigung zur Musik, und bat ihn, seinen Vater zu bestimmen, daß er ihm die Fortsetzung der Studien, für die er keinen Sinn habe, erlasse, und ihm gestatte, sich vollends der Musik zu widmen und in derselben sich ordentlich auszubilden. Den Vorstellungen des Oheims gelang es endlich durchzudringen, Friedrich kam 1843 nach Prag und dort wurde Proksch [Band XXIV, S. 8] sein Lehrer. Der Director des Conservatoriums in Prag, J. F. Kittl [Bd. XI, S. 340], gab S. eine Empfehlung an Leopold Grafen Thun, in dessen Hause er nun Musiklehrer wurde. Im Jahre 1846 lernte S. den berühmten Robert Schumann und seine Gattin Clara Wiek, welche beide damals in Prag Concerte gaben, kennen, und beide, namentlich Schumann, blieben nicht ohne Einfluß auf S.’s künstlerische Entwicklung. Schumann empfahl S. vor allem das sorgfältige Studium Sebastian Bach’s und dann jenes Beethoven’s, vornehmlich seiner Sonaten. Alsdann rieth er ihm, auf ein Jahr nach Leipzig zu gehen und dort unter Mendelssohn’s Anleitung seine Studien zu beenden. Letzteren Rath zu befolgen, gestatteten S. seine Mittel nicht. Hingegen studirte er auf das fleißigste die Werke Bach’s. Auf den Rath seiner Freunde errichtete er dann nach dem Muster seines Lehrers Proksch im October 1848 in Prag eine Musikschule. Die Nachwehen der politischen Bewegung dieses Jahres ließen wohl wenig Zuspruch erwarten, doch wider alles Vermuthen steigerte sich der Besuch des Institutes in solcher Weise, daß S., seiner längst gehegten Neigung folgend, Katharina Kolar als Gattin heimführte, welche, selbst eine musikalische Künstlerin, ihn nun in der Aufgabe seiner Musikschule werkthätig unterstützte. Die Bekanntschaft mit Dreyschock und bald darauf mit Liszt, welchen beiden S. je eines seiner Werke widmete, wirkte in ermunternder Weise auf sein sich immer entschiedener und erfolgreicher entfaltendes Talent. Sein Name wurde immer bekannter und allwöchentlich spielte S. vor Sr. Majestät dem in Prag lebenden Kaiser Ferdinand. Im Jahre 1850 und dem folgenden organisirte S. Unterhaltungen für Kammermusik, zu welchen er seine Zöglinge Němec, Král und Träg, später Königlöwe, Paulus und Goltermann zuzog, und welche sich eines entschiedenen Erfolges erfreuten. Als im September 1856 Liszt [175] von Gran, wo er seine Krönungs-Messe dirigirt hatte, über Aufforderung J. N. Škroup’s [S. 104 d. Bds.], welcher seine Graner Messe im St. Wenzelsdome aufführen wollte, über Prag nach Weimar zurückkehrte, war er ein täglicher Gast Smetana’s, dem er oft allein, aber auch wenn andere Musikfreunde zugegen waren, seine Symphonien und sonstigen Compositionen vorspielte, wobei S. Gelegenheit fand, des Meisters Werke in ihrem herrlichsten Vortrage kennen und bewundern zu lernen und dabei selbst zu lernen. Im Herbst desselben Jahres, 1856, begab er sich über Aufforderung Dreyschock’s nach Gothenburg in Schweden, um dort Concerte zu geben Dort bildete sich um eben diese Zeit eine philharmonische Gesellschaft, welche eines Directors benöthigte. Smetana nahm den ihm angebotenen Posten an, löste das in Prag gegründete Musik-Institut auf und übersiedelte im folgenden Frühlinge mit seiner Familie nach Gothenburg. Dort wirkte er ein paar Jahre. Aber seine brustleidende Gattin vertrug das dortige scharfe Klima nicht und ihr baldiges Ende ahnend, bat sie ihn, mit ihr in die Heimat zurückzukehren, in welcher sie sterben wolle. Bei dem Abschieds-Concert, welches S. damals gab, verehrte ihm die Gesellschaft einen silbernen Tactstock. Anfangs April 1859 trat er mit der kranken Gattin die Heimreise an, erreichte aber mit ihr nur Dresden, wo sie am 19. d. M. starb. Die sterblichen Reste geleitete S. nach Prag, wo die Verblichene bestattet zu werden gebeten hatte. Im Jahre 1861 gab S. seine Stellung in Gothenburg auf und unternahm jetzt Kunstreisen. Er spielte in Stockholm und in anderen größeren Städten Schwedens und Deutschlands, und kam nach Prag, um an der dortigen čechischen Oper eine Anstellung, die er längst gewünscht, zu erhalten. Aber seine Hoffnung sollte sich nicht erfüllen, und so war S. längere Zeit als Director des Musikvereins „Hlahol“ und des Vereines „Beseda umělecka“ thätig, dirigirte die Abonnements-Concerte, wurde endlich im Herbst 1866 erster Capellmeister im čechischen Nationaltheater und befand sich nun an einem für die Entfaltung seines Talentes entsprechenden Posten. Die künstlerische Thätigkeit S.’s ist eine vielseitige. Während seines Aufenthaltes in Gothenburg schrieb S. zahlreiche Instrumentalwerke und Compositionen für das Piano, und war noch sonst für die Förderung der Musik daselbst in mannigfacher Weise thätig. Als er nach Prag zurückgekehrt war, entwickelte er anläßlich der dreihundertjährigen Shakespeare-Feier eine ungemein verdienstliche Thätigkeit, und brachte Liszt’s Offertorium „Die h. Elisabeth“ zur Aufführung. Aber auch als Componist hat S. seine unleugbaren Verdienste und seine Arbeiten in verschiedenen Richtungen finden in Fachkreisen warme Anerkennung. Von diesen sind anzuführen: sein „Allegro capriccioso“ in H-moll, Dreyschock gewidmet; – „Morceaux caractéristiques“[WS 1], als Opus 1 im Stich erschienen. – „Tři jezdci“, d. i. Die drei Reiter. Text von J. Jahn (doch wohl die Uebersetzung des bekannten Lenau’schen Gedichtes). Auf vier Singstimmen; – „Marche solenelle executée a la féte commemorative du trois centième anniversare de la naissance de Shakspeare à Prague“ (Prag 1864, Schalek und Wetzlar); – „Souvenir de Bohème en forme de Polka’s“, Op. 12 und 13 [vier Polka’s] (ebd. 1865); – „Rolnická“, d. i. Bauernlied, im 21. Hefte des musikalischen Sammelwerkes „Hlahol“; [176]„Odrodilec“, d. i. Der Entartete. Lied; – dann noch mehrere Symphonien auf großes Orchester. Aber auch mehrere größere Tonwerke, wie Opern, flossen aus Smetana’s Feder, und zwar: „Braniboří v Čechách“, d. i. Die Branibor in Böhmen, historische Oper, Text von Sabina, zum ersten Male in Prag am 5. Jänner 1865 aufgeführt; – „Dalibor“, gleichfalls historische Oper, zum ersten Male ebenda 16. Mai 1868 aufgeführt; – „Nevěsta prodaná“, d. i. Die verkaufte Braut, komische Oper, am 30. Mai 1866 zum ersten Male aufgeführt; – und „Hubička“, d. i. Der Kuß, zuerst gegeben im Herbst 1876, deren zweite Aufführung benützt wurde, dem Compositeur eine Ovation darzubringen, indem ihm Deputationen des Theater-Consortiums, des nationalen („narodní“) Club, der „Umělecka Beseda“, des Akademischen Lesevereins, der Theater-, Oper- und Orchester-Mitglieder und der Stadt Leitomischl einen silbernen Kranz, viele mit prächtigen, goldgestickten Bändern gezierte Lorbeerkränze nebst einer Adresse in Prachteinband darbrachten.

Dalibor. Časopis pro hudbu etc., d. i. Dalibor. Zeitschrift für Musik u. s. w. Redigirt von Em. Melis (Prag, 4°.) 1863, Nr. 24: „Bedřich Smetana“. – Světozor (Prager illustrirtes Blatt, Fol.) 1869, Nr. 38 und 39. – Slavin (Pantheon.), Sbírka podobizen autografů a životopisů předních mužů českoslovanských, d. i. Slavin. Sammlung von Bildnissen, Autographen und Lebensbeschreibungen denkwürdiger čechisch-slavischer Männer (Prag 1872, Bartel, 8°.), Bd. II, S. 40.
Porträte. 1) Unterschrift: Facsimile des Namenszuges „Bedřich Smetana“. Holzschnitt von F. Bartel in Prag (8°.) [treffliches Blatt, auch im „Slavin“]. – 2) In den „Humoristické listy“, d. i. Humoristische Blätter, XVI. Jahrg. (1874), Nr. 13: „Kapelníci Mayer a Smetana dávají si takt, d. i. Die Capellmeister Mayer und Smetana, schlagen den Tact [i. e., schlagen sich die Blätter, welche für sie Partei ergreifen: Smetana den „Dalíbor“, Mayer den „Hudební list“ um die Köpfe, daß die Noten um sie umherfliegen].

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: „Morceaux carateristiques“.