BLKÖ:Gyulay von Maros-Németh und Nadaska, Franz (VI.) Graf

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 6 (1860), ab Seite: 70. (Quelle)
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Gyulay von Maros-Németh und Nadaska, Franz (VI.) Graf (Feldzeugmeister, Ritter des goldenen Vließes, geb. zu Pesth 1. September 1798). Sohn des Grafen Ignaz (s. d.). Der Graf Franz erhielt im 16. Lebensjahre eine Unterlieutenants-Stelle im Infanterie-Regimente des Vaters Nr. 60, kam dann zu den Huszaren, ward im September 1827 Major bei Kaiser-Uhlanen, rückte bald darauf zum Obersten im 19. Infanterie-Regimente und 1837 zum Generalmajor und Brigadier in St. Pölten vor. Einige Jahre darauf nach Wien übersetzt, verlieh ihm Se. Majestät der Kaiser im Jahre 1845 das 33. Infanterie-Regiment, 1846 die Feldmarschall-Lieutenants-Würde, worauf er als Divisionär und Militär-Commandant nach Triest bestimmt wurde. Hier war es, wo Graf Gyulai im J. 1848 im entscheidenden Augenblicke, als es galt, von der Marine zu retten was zu retten war, sich aus eigenem Antriebe an die Spitze derselben stellte, die unverläßlichen italienischen Officiere und Mannschaften entließ und nicht nur die in den verschiedenen Stationen Dalmatiens befindlichen Kriegsschiffe in Sicherheit brachte, sondern auch die bereits auf der Fahrt nach Venedig begriffenen Schiffe, sowie nicht minder, durch zweckmäßige Einleitungen bei den Gesandtschaften, die außerhalb des adriatischen Meeres stationirten Fahrzeuge rettete. Dann ließ er für Triest, Pola, Pirano und andere wichtige Küstenpuncte die Vertheidigungs-Anstalten treffen, sicherte die vom Aufruhr bedrohte Grenze [71] und bereitete die Offensive vor, welche nach Anlangen der Verstärkungen aus dem Inlande der Feldzeugmeister Graf Nugent am 17. April 1848 ergreifen konnte. Seiner Energie gelang es, eine Ruderflottille schlagfertig auszurüsten, welche die Unternehmungen der Landarmee an der Küste bestens unterstützte. Am 23. Mai erschien die piemontesische Flotte vor Triest; da waren aber durch Feldmarschall-Lieutenant Gyulai die Anstalten so kräftig ins Leben gerufen, daß der Feind den Angriff aufgab und 21/2 Miglien vom Leuchtthurme Anker warf; ingleichen wurde eine versuchte Ueberrumplung der entfernt gelegenen Batterie bei S. Barcola vereitelt. Zum letzten Male allarmirte der Feind Triest am 8. Juni; da er aber Gyulai für alle Fälle wohl gerüstet fand, zog er endlich am 4. Juli ganz aus dem Gesichtskreise der Stadt, und nach der Schlacht bei Custozza auch aus dem adriatischen Meere. Se. Majestät belohnte den Grafen Gyulai mit dem Commandeurkreuz des Stephans-Ordens, dem später das Großkreuz des Leopold-Ordens folgte; die dankbare Stadt aber ernannte ihn zu ihrem Ehrenbürger. Zu Anfang Juni 1849 erhielt Graf Gyulai die Leitung des Kriegsministeriums, wo er große Energie entwickelte und seiner Stellung mit ganzer Hingebung oblag. Bei der Einnahme von Raab befand er sich im Gefolge des Kaisers; nach Wien zurückgekehrt, eilte er im August 1849 nach dem unglücklichen Treffen bei Acs sofort vor Komorn, um an Ort und Stelle die erforderlichen Anstalten zu treffen. Dann machte er eine längere Inspicirungsreise durch den größten Theil des Kaiserstaates und legte seine Berichte Allerhöchsten Orts zur Maßnahme vor. Im Juli 1850 wurde Graf Gyulai der Stelle eines Kriegsministers enthoben, und mit dem Commando des 5. Corps in Mailand betraut. Hier traf ihn die Ernennung zum Feldzeugmeister, welcher dann die Verleihung des Ordens vom goldenen Vließe folgte. Nach des großen Feldmarschalls Radetzky Rücktritt übernahm Gyulai das Commando der zweiten Armee. Mit der Napoleon’schen Ansprache an den österreichischen Gesandten in Paris, am Neujahrstage 1859, war für diese Armee der Augenblick erschienen, sich marschfertig zu halten. Am 28. April erschien das Manifest des Kaisers „An seine Völker“, und am 29. folgte dem Worte die That: das österreichische Heer, von Gyulai angeführt, überschritt den Tessin. Am 2. Mai stand die Hauptmacht, 120.000 Mann stark, in der Höhe von Candia und Cairo. Am 5. und 6. Mai war die Armee ungehindert bis Voghera und Tortona vorgedrungen, indeß der Feind sich mit seinem linken Flügel an’s Gebirge, mit dem rechten an den Po lehnte, so die strategisch wichtige Dora Baltea-Linie inne hatte und seine Hauptmacht unter den Kanonen von Alessandria sammelte. Das österreichische Hauptquartier wechselte indessen mehrere Male seine Stelle, es befand sich am 7. Mai in Mortara, am 9. in Vercelli und ging dann wieder auf Mortara zurück. Bis zum 20. Mai kam es nur zu kleinen aber blutigen Gefechten. Mittlerweile hatten aber die Franzosen ihre Aufstellung vollendet. Das 4. Corps (Niel), der äußerste linke Flügel, stand an der Dora Baltea, um Turin zu decken; das 1. Corps (Baraguay) in Aqui, Gavi, Novi; das 3. Corps (Canrobert) bei Alessandria; die Garde unter Regnault de Saint Jean d’Angely zwischen Genua und Alessandria; das 2. Corps (Mac Mahon) bei Valenza. Die sardinische [72] Division Castelborgo stand ebenda. Die Divisionen Cialdini und Garibaldi zwischen Casale und Frassinetto; die Division Fanti in Alessandria, die Division Cucchiari bei Novi, die Division Durando in Casale. Die Vorpostenlinie stieß rechts an Voghera, links ans Gebirge. Oesterreichischer Seits sollte Feldmarschall-Lieutenant Graf Stadion Stärke und Stellung des feindlichen rechten Flügels erforschen. Mit 3 Brigaden des 5. und 1 Brigade des 9. Corps, zu denen noch Feldmarschall-Lieutenant Urban mit 1 Brigade seines fliegenden Corps stieß, ging Graf Stadion an die Ausführung. 16 Bataillons, 6 Schwadronen, 16 Geschütze, ungefähr 15.000 Mann im Ganzen, betrug sein Corps. Am 20. Mai begann die Vorrückung. Bei Montebello kam es zum Zusammenstoße mit dem dreimal stärkeren Feinde. Die Oesterreicher wichen nach blutigem Kampfe der starken Uebermacht. Der amtliche Bericht gibt an: an Getödteten: 294 Mann, 20 Pferde; an Verwundeten: 718 Mann, 10 Pferde; an Vermißten: 283 Mann. Die Regimenter Erzherzog Carl, Dom Miguel, Roßbach, Culoz, das 3. Jäger-Bataillon und Haller-Huszaren hatten wahre Wunder der Tapferkeit verrichtet. Nach dem Treffen bei Montebello verlegte Gyulai sein Hauptquartier von Mortara nach Garlasco, somit näher an den Tessin. Indessen fielen am linken Poufer harte Kämpfe zwischen Feldmarschall-Lieutenant Urban und Garibaldi vor, welch’ letzterer sogleich nach dem Treffen bei Montebello die Sesia bei Romagnano überschritt, am 21. Mai in Arona, am 22. auf österreichischem Boden bei Sesto Calendo, und am 23. Abends mit seinen 5–6000 Mann Freischaaren in Varese eintraf. Die Hauptarmee des Feindes nahm nun folgende bereits vorgeschobene Stellung ein: das 1. Corps war zu Alessandria, das 2. in Voghera, das 3. beiderseits der Bormida über Sale und Castelnuovo, das 4. um Casale. Die Garden bewachten Valenza, Frassinetto, Casale und die Sesia-Linie. Unvermuthet brach dann das 2. Corps von Voghera auf. General-Lieutenant Niel übersetzte mit dem 4. Corps von Casale nach Vercelli, wo der Kaiser Napoleon III. selbst sein Hauptquartier aufschlug, und mit einem Male, jedoch zu spät, stellte es sich heraus, daß der Schwerpunct der feindlichen Armee nicht am rechten Poufer, wie man vermuthet hatte, sondern auf der Straße von Turin nach Mailand zu suchen sei. Die blutigen Gefechte bei Palestro, Rivoltella, Vinzaglia und Confienza waren nur das Vorspiel der von der französischen Armee durch geschickte Täuschung des österreichischen Feldherrn vorbereiteten Invasion der Lombardie. Die Kämpfe an der Sesia dauerten die letzten Tage des Mai ununterbrochen fort: 21. Mai bei Borgo-Vercelli, am 23. Mai bei Candia, am 31. bei Palestro, wo der Verlust der Oesterreicher an Todten: 15 Officiere, 513 Mann; an Verwundeten: 24 Officiere, 878 Mann; an Vermißten: 6 Officiere, 674 Mann, also jenen von Montebello überstieg. Aber nun erst erkannte der Feldherr, daß die Bewegungen des Feindes nicht dem Po und Pavia, sondern dem obern Tessin und Mailand galten. Der Ernst der Situation trat in erschreckender Weise hervor; schon umfaßte der Feind in weitem Bogen von den Alpen und Lago maggiore den rechten Flügel des österreichischen Heeres. Graf Gyulai gab nun seine Stellung [73] auf, rückte aber nicht auf Mortara und Novara vor, sondern suchte die Linie des Tessin zu gewinnen. Daß dieser Rückzug nicht vollständig gelungen, erhellt aus der Zahl der am 4. Juni in die Schlacht geführten Truppen, von denen 3 ganze Armee-Corps, somit über 60.000 Mann fehlten. Die Aufstellung der Oesterreicher hinter dem Tessin war folgende: Eine Division des 1. Corps bei Turbigo, im Ganzen blos eine Brigade von höchstens 4000 Mann; ein Theil des 1. und 1 Division des 2. Corps in und um Magenta; 1 Division des 7. Corps in Corbetta, 1 in Castellazzo und Casterno. Das 3. Armee-Corps lagerte bei Abbiategrasso, eine Fortsetzung des Marsches nach Mailand erwartend; das 5. u. 8. befanden sich noch auf dem Anmarsch von Binasco, das 9. stand bei Pavia. Also eine Vereinigung der Streitkräfte war weder erzielt, noch für den 4. Juni an eine Schlacht gedacht worden. Indessen überschritt Mac Mahon bei Turbigo den Tessin, und umging factisch die Oesterreicher rechts, auf nur unbedeutenden Widerstand stoßend; ferner wendeten sich die Franzosen mit ihrem linken Flügel von Novara über Galliate. So geschah es denn, daß am Schlachttage von Magenta von 150.000 Mann, welche kampfbereit in Italien standen, nur 70.000 Mann (das 1., 2., 3. und 7. Armee-Corps) gegen einen Feind von mindestens 120.000 Mann theilnahmen. Die Schlacht am 4. und 5. Juni bei Magenta wurde geschlagen. Die Schlacht selbst hatte der Gegner nicht gewonnen. Zählt sie Frankreich auch unter seinen Siegen auf, in der Kriegsgeschichte Oesterreichs steht sie da als ein Ehrentag der österreichischen Armee vom Officier abwärts. Der Verlust der Oesterreicher betrug an Todten: 63 Officiere, 1302 Mann; an Verwundeten 218 Officiere, darunter 4 Generale, dann 4130 Mann; an Vermißten ungefähr dieselbe Zahl. Am 5. Vormittags zwang die Uebermacht des Feindes den nochmals aufgenommenen Kampf abzubrechen. Man legte von vielen Seiten den Verlust dieser Schlacht lediglich dem Feldherrn zur Last; andere wieder halten den Feldherrn mehr für unglücklich als für kurzsichtig, und die „allgemeine Militärzeitung“ vom 6. August 1859 nennt die Schlacht von Magenta ein „Werk des Zufalls“. Es bleibt der Geschichte überlassen, den Schleier zu lüften, der über dieser Verkettung von Mißgeschick und verfehlten Plänen schwebt. Auf den ersten Blick aber stellt sich die Thatsache klar hin, daß der Feldherr kein strategisches Genie war, und einer Reihe geübter Strategen, die erst im Krimfeldzuge mit Lorbeern sich bedeckt hatten, gegenüber stand. Der französische Kaiser selbst wurde bei Magenta durch Mac Mahon von einem schlimmen Loose gerettet. Wie wenig die Franzosen selbst sich als Sieger betrachteten, beweist die Thatsache, daß sie den Rückzug bereits antraten, denn am 4. Juni Nachmittags und Abends war die Straße von Tessin bis Novarra mit französischen Truppen aller Art bedeckt, welche in westlicher Richtung zu entkommen trachteten. Nach der Schlacht von Magenta legte Gyulai das Armee-Commando nieder. Thatsächlich war nach derselben der rechte österreichische Flügel von den Franco-Sarden umgangen, und standen diese bereits Mailand näher als die Oesterreicher. Letztere konnten sich nur mehr auf die Reserven zurückziehen, die sich als eine zweite Armee an der Etsch und dem Oglio gesammelt hatten. Aber die Lombardei, [74] mit Pavia, Piacenza und Pizzighettone war aufgegeben. Die österreichische Armee ging über Lodi, Codogna und Cremona hinter Chiese zurück, indeß der Feind ihr auf dem Fuße folgte. Feldmarschall-Lieutenant Urban bestand bei seinem Rückzuge hinter die Adda nach Vaprio bei Castenedole ein blutiges Gefecht. Benedek, dieser allgeliebte Feldherr und Ritter ohne Furcht und Tadel, bildete mit seinem Corps die Nachhut und bestand bei Melegnano (8. Juni) mit 2 Brigaden gegen zwei feindliche Armee-Corps der Generale Baraguay und Mac Mahon einen Kampf, in welchem Wunder der Tapferkeit verrichtet wurden. Der Verlust der Oesterreicher an diesem Tage betrug an Todten: 1 General, 7 Officiere, 112 Mann; an Verwundeten: 15 Officiere, 234 Mann; an Vermißten: 142 Mann; jener der Gegner betrug 69 Officiere und 800 Mann an Todten und Verwundeten. Am Mincio vereinigte sich nun die erste und zweite Armee. Die Rolle des Grafen Gyulai war zu Ende; der Kaiser, welcher in den letzten Maitagen selbst nach Italien geeilt war, übernahm am 18. Juni persönlich den Oberbefehl. Die österreichische Armee nahm die Aufstellung zwischen Chiese und Mincio; das 7. und 8. Corps hielten Lonato und Desenzano, der Rest stand entlang der Chiese und des Mincio bis gegen Mantua. In Montecchiaro, Calcinato und Ponte San Marco standen die Vorposten. Der Feind hielt die Mella nebst Brescia besetzt, und dehnte sich abwärts des Oglio bis Ostiano aus. Die sardinische Armee, dann das 1. und 2. französische Corps nebst den Garden – im Ganzen 120.000 Mann – standen dem österreichischen rechten Flügel gegenüber, das 3. französische Corps bei Manerbio, das 4. bei Asola. 5000 Freischärler bewachten im Veltlin die Pässe bei Nauders und das Stilfser-Joch. So standen sich 140.000 Oesterreicher und 180.000 Franco-Sarden gegenüber. Am 20. Juni wurde das österreichisch-kaiserliche Hauptquartier nach Villafranca, am 23. nach Valeggio verlegt. Am 23. Juni überschritten 102 Linien-Infanterie-Bataillone, 12 Jäger-, 10 Grenz-, im Ganzen 124 Bataillons und etwa 60 Schwadronen Oesterreicher in 4 Colonnen den Mincio, besetzten mit dem rechten Flügel die Höhen zwischen Cavriana und Pozzolengo, und standen am Abend in einer Stellung von Giudizzole, Cavriana, Solferino bis gegen Lonato. Am 24. sollte der linke Flügel, von Goito her, bis Giudizzole und Castel Goffredo vorgehen; auch sollte an diesem Tage der Aufmarsch in die Gefechtstellung geschehen. Aber die Franzosen, durch Verrath, der überhaupt in diesem Feldzuge eine große und eingreifende Rolle spielte, und durch Godard’s Luftballon von allen Bewegungen der Oesterreicher genau unterrichtet, trafen denselben entsprechend ihre Anstalten, und ergriffen ihrerseits die Offensive in einem Zeitpunct, da die Oesterreicher noch nicht ihre ganze Gefechtstellung eingenommen hatten. Den österreichischen rechten Flügel commandirte nun der General der Cavallerie Graf Schlik, der an Gyulai’s Stelle das Commando der 2. Armee übernommen hatte; den linken Flügel der Feldzeugmeister Graf Wimpffen. Der kaiserliche Kriegsherr befehligte das Centrum. Am 24. Juni Früh begann der Kampf. Das 5. Corps unter Graf Stadion vertheidigte Solferino und Cavriana mit beispiellosem [75] Heldenmuth. Die Franzosen erkannten sich bereits für besiegt und die Befehle zu ihrem Rückzuge waren um 2 Uhr Nachmittags schon ertheilt; die Division des Heldenprinzen Alexander von Hessen vom 7. Corps focht im Centrum bei Cavriana, von halb 10 Uhr Früh bis 6 Uhr Abends im heftigsten Kugelregen und deckte, vereint mit der Reiter-Division Mensdorf, den angetretenen Rückzug; das 8. Corps hielt Pozzolengo bis 10 Uhr Abends; das 3. Corps bis zur selben Stunde auch Volta; erst unter dem Schutze der Nacht wurde der Rückzug ausgeführt. Am 24. Abends waren die Hauptquartiere der 1. und 2. Armee wieder in Goito und Valeggio, also dort, wo sie vor Angriff der Offensiv-Bewegung sich befunden hatten. Am Morgen des 25. concentrirte sich die 1. Armee gänzlich hinter dem Mincio, und sprengte am Vormittag die Brücke von Goito, die 2. Armee verblieb vorerst noch in ihrer Aufstellung, ihr Hauptquartier wurde am 25. Abends auf Villafranca zurückverlegt. Die Verluste auf beiden Seiten waren ungeheuer. „Ein Schlachten war’s und keine Schlacht zu nennen.“ Von Oesterreichern hatten das 1., 3., 5., 7., 8.. 9. und 11. Corps und die Cavallerie-Reserve-Division an der Schlacht theilgenommen. Die Verluste derselben betrugen an Todten, Verwundeten und Vermißten: 4 Generale, 630 Stabs- und Oberofficiere, 19.311 Mann, 891 Pferde, 13 Geschütze, davon 6 demontirt, und 1 Fahne. Die feindliche Armee hatte, nach dem „Moniteur“, eingebüßt: 936 Officiere, 17.525 Mann. Wie dieser Tag sich entschieden hätte, wenn die Franzosen der ihnen verrathenen Offensive der Oesterreicher nicht zuvorgekommen wären, und wenn die Reiter-Division Zedtwitz, statt unthätig zu bleiben, mit ihren 4 Cavallerie-Regimentern in den Kampf eingegriffen hätte, ist nicht schwer zu bestimmen. Die Regimenter Hessen, Culoz, Belgien, Grueber, Erzherzog Stephan und Khevenhüller, an dessen Spitze sein Oberst Fürst Windischgrätz gefallen, als die Bravsten der Braven, hatten Wunder der Tapferkeit am Johannistage des Jahres 1859 verrichtet. Mit der Schlacht von Solferino schloß eigentlich die kurze, aber blutige Kriegstragödie. In 36 Tagen – vom 20. Mai bis 24. Juni – waren die Verluste auf beiden Seiten ungeheuer; auf jener der Oesterreicher, soweit dies zu ermitteln ist, 1103 Officiere, 35.844 Mann; auf Seite der Franzosen 922 Officiere, 33.605 Mann, nach den eben nicht zu genauen Angaben des „Moniteur“. Die Belagerung von Peschiera durch die Piemontesen begann, Mantua wurde möglichst isolirt, vor Venedig kreuzte eine Escadre, die nur noch eine Verstärkung erwartete. Garibaldi trieb in den Thälern der Adda und des Oglio sein Unwesen. Die Lage der Dinge für Oesterreich bekam allmälig ein sehr ernstes Aussehen. Plötzlich trat ein Umschwung der Verhältnisse ein. Den Schleier über die Ursachen wird die spätere Geschichte dieser verhängnißvollen Tage lüften. Vom Kaiser Napoleon gingen die ersten Anträge zu einer Verständigung mit Oesterreich aus. Am 7. Juli wurde die bis zum 16. August festgesetzte Waffenruhe abgeschlossen. Die indessen von Napoleon mit dem Feldmarschall- Lieutenant Prinzen von Hessen eingeleiteten Verhandlungen hatten die persönliche Zusammenkunft beider Kaiser am 11. Juli bei Villafranca zu Folge; Tags darauf wurden die Friedenspräliminarien zwischen Oesterreich und [76] Frankreich unterzeichnet, und der vom 12. Juli datirte kaiserliche Armeebefehl enthielt die merkwürdigen Worte, welche jeder Oesterreicher für die Zukunft im Gedächtniß behalten möge: „ohne Bundesgenossen weiche ich nur den ungünstigen Verhältnissen der Politik“. Der eigentliche Friedensschluß erfolgte zu Zürich am 10. November 1859. Oesterreich besitzt jedenfalls durch die Mincio-Linie mit Mantua und Peschiera eine solche Offensivstellung, daß bei einem künftigen Kriege gegen Sardinien der Erfolg nicht zweifelhaft werden dürfte. Den ganzen kurzen Feldzug hindurch focht die österreichische Armee mit einem weit überlegenen Feinde. Das dynamische Verhältniß in jedem größeren Gefechtsacte stellt sich: bei Montebello wie 8:3, bei Palestra wie 4:1, bei Magenta wie 9: 7 und ebenso etwa auch bei Solferino. Die Hauptfehler, welche dem Feldherrn zur Last gelegt werden können, sind: daß er die Aufstellung des österreichischen Heeres zu weit ausgedehnt hatte, wodurch schwankende Entschlüsse und Unsicherheit im Handeln erfolgten; daß er immer seine Operationen nach der Idee richtete, der Feind werde mit seiner Hauptkraft am rechten Poufer agiren, und deßhalb den österreichischen rechten Flügel genug zu versichern unterließ; daß der Rückzug hinter den Tessin nicht in fest geschlossenen Massen erfolgte, und also am 4. Juni eine Vereinigung der gesammten kampffähigen Kräfte in unverantwortlicher Weise vereitelt wurde, und endlich, daß die Aufstellung eines festen Lagers bei Mailand unterlassen worden war. Als nach der Schlacht bei Magenta Graf Gyulai das Armee-Commando niederlegte, verlautete es allgemein, daß er als einfacher Oberst mit seinem unterhabenden Regimente am ferneren Kampfe theilzunehmen beschlossen habe. Ob dieß geschehen, ist nicht bekannt. Der Graf lebte dann einige Zeit in Baden bei Wien, und die letzten Nachrichten melden, daß er seinen Aufenthalt in Gratz genommen habe. Unsere Aufgabe war es, die Thatsachen zu erzählen, alles Uebrige muß der späteren Geschichte vorbehalten bleiben. Der Graf G. war mit einer Gräfin Wratislaw-Mitrović verheirathet, die er nach vierjähriger Ehe im J. 1831 durch den Tod verlor. Was den Charakter des Feldherrn betrifft, so bemerkt einer seiner Biographen: „Graf G. besitzt einen viel humaneren Charakter als seine Proclamationen, und der Ruf des blutigen und unmenschlichen Soldaten, der ihm vorausging und von feindlicher Seite beigelegt wurde, hat sich als völlig ungegründet erwiesen.“

Vergleiche die Genealogie der Familie im Artikel: Albert Graf Gyulai (in den Quellen), wo der Nachweis gegeben ist, warum der Obige Franz der VI. ist. – Strack (Joseph), Die Generale der österreichischen Armee (Wien 1850, Beck) S. 417–445. – Unsere Zeit. Jahrbuch zum Conversations-Lexikon (Leipzig 1859, Brockhaus, 8°.) Bd. III, S. 393 [dieser nicht panegyrische Artikel enthält auch Nachrichten über die Grafen Albert und Ignaz.] – (Leipziger) Illustrirte Zeitung, herausg. von J. J. Weber, 1859, Bd. XXXII, S. 315 [mit Porträt auf S. 316]. – Männer der Zeit. Biographisches Lexikon der Gegenwart (Leipzig 1859, Carl B. Lorck, 4°.) S. 466 u. 928. – Ueber Land und Meer. Allgem. illustr. Zeitung, herausg. von X. W. Hackländer, 1859 (Probenummer), Nr. 26 mit Nr. 27: Oesterreichs Heerführer. [Beginnt die Reihe derselben mit Gyulay. Ein Porträt in trefflichem Holzschnitte illustrirt die Lebensskizze.] – Rittersberg, Kapesní slovníček (Prag 1850, 16°.) Bd. I, S. 547. – Beilage zur Allgemeinen (Leipziger, von Aug. Diezmann herausgegebenen) Moden-Zeitung 1859, Nr. 26, S. 104. – Oesterr. Militär-Konversations-Lexikon. Herausg. von J. Hirtenfeld (Wien 1850 u. f., gr. 8°.) Bd. II, S. 842 [nach diesem geb. 1799]. – Wiener (amtliche) Zeitung 1849, Nr. 134 [Ernennung zum Kriegsminister]. – Triester Zeitung [77] 1859, Nr. 106. – Presse 1859, Nr. 112. – Neuigkeiten (Brünner polit. Blatt) 1859, Nr. 107 (vom 8. Mai). – Tetschner Anzeiger 1859 (IV. Jahrg.) Nr. 19. – Porträte. Außer den bereits angegebenen Illustrationen: 1) Pfeiffer sc. Fol. – 2) Lithogr. von Ed. Kaiser (Wien, Paterno, Fol.). – 3) Lithogr. von Kriehuber (Wien, Neumann, Fol. u. 4°.). – 4) Lithogr. ohne Angabe des Zeichners (Wien, Förster, 4°.). – Zur Literatur der Geschichte des Feldzuges im Frühlinge 1859 in Oberitalien. La campagne d’ Italie de 1859. Chroniques de la guerre par le Baron de Bazancourt appelé par ordre de 1’ Empereur à l’armée d’Italie (Paris 1859, Amyot) 2 Bände. [Obgleich der Partei-Standpunct dieser Darstellung auf jeder Seite hervorleuchtet, so ist sie doch sehr wichtig, interessant und reich an Details, die nur dem Eingeweihten zu wissen möglich sind.] – La campagna d’Italia del 1859 Cronache della guerra del Barone di Bazancourt chiamato dall’ Imperatore Luigi Napoleone all’ armata d’Italia. Prima traduzione italiana con tavole. Parte 1 e 2 (Venezia 1859, Cecchini, 8°.) [Uebersetzung des Vorigen]. – Teatro della Guerra. Descrizione storica statistica topografica aggiuntavi un appendice concernente le Biografie dei più cospicui personaggi, marescialli, generali, diplomatici, ecc. ecc. che vi aveano parte. Corredata da topografici disegni, ritratti, piani di luoghi forti ecc. (Triest, Colombo Coen, 1859/60). – Illustrirter Kriegsschauplatz (Wien 1859, Leop. Sommer, 8°.). [Auf 20 Hefte berechnet, endet das Werk mit dem 3. Hefte, und gibt auf 56 Seiten eine klar geschriebene, anschauliche Darstellung des ganzen Feldzuges auf Grundlage der Detailberichte. Die guten Holzschnittporträte von Gyulay, Heß und Schlik eröffnen jeden neuen Bogen.] – Militär-Zeitung. Herausg. von J. Hirtenfeld (Wien, 4°.) 1859, Nr. 62–70: „Abriss der Kriegsereignisse in Oberitalien, von der Invasion der Oesterreicher in Piemont (29. April) bis zum Rückzuge derselben hinter die Adda und den Mincio (15. Juni) 1859.“ [In Nr. 62 des genannten Blattes wird W. Rüstow als Verfasser dieses Abrisses bezeichnet, jedoch diese Angabe in Nr. 70 widerrufen.] – Rüstow (W.), Der italienische Krieg 1859, politisch-militärisch beschrieben (Zürich 1859, Schelthoß). [Eine der besten und zuverlässigsten Schriften über diesen Krieg.] – Skizze des Feldzuges 1859 in Italien. Von einem süddeutschen Officier. Dritte Auflage (Wien 1859, Carl Gerold’s Sohn, 8°.). [Eine musterhafte, mit Ruhe, Unbefangenheit und großer Klarheit gegebene Darstellung dieses Kriegsdrama’s.] – Kassay (A. V.), Die Schlacht von Montebello am 20. Mai 1859 (Wien 1859, kl. 8°.). – Napoleonův zločin a sláva vojsk zakouských. Zaminavé snešení důlezitých pravd vzhledem na Napoleona III. politiky jeho a válečných poměrův nynějšího věku. Vidal Jindřich Vojtech Novohradský (v Praze 1859, Jeřabek, 8°.). – Unsere Zeit. Jahrbuch zum Conversations-Lexikon (Leipzig 1859, Brockhaus, gr. 8°.) Bd. III, S. 529 und 593: „Der Krieg in Italien.“ – Unsere Tage. Ergänzungsblätter zu allen Conversations-Lexikons (Braunschweig 1859, Westermann, gr. 8°.) S. 103: „Die Taktik des Feldzuges 1859 in Italien.“ – Die reiche, nicht militärische Libell-Literatur, welche diesem Kriege voranging und ihn begleitete, siehe in den Quellen zu dem Artikel: Hübner. – Militärische Miszellen, Anekdoten und Humoresken aus den Feldzügen der k. k. österreichischen Armee gegen die Franco-Sarden im Jahre 1859 (Wsetin 1859, im Selbstverlage von A. P. Strnadel u. Comp., Olmütz, Druck von Franz Slawik, kl. 8°.) [enthält verschiedene Züge und Schlachtenvorfälle dieser Kriegsepoche, wie sie zerstreut in den Journalen gestanden]. – Der Unwille und die Entrüstung gegen die Napoleonischen Umtriebe riefen auch zahlreiche poetische Aufrufe in Oesterreich und Süddeutschland hervor. Wir nennen von ersteren: „Ein deutsches Lied. Ein Zeitgedicht von Max Waldstein“ (Wien 1859, Hügel); – „Gegen Napoleon. In Catilinam. Ein Kranz geharnischter Sonette von Eduard Mautner“ (Wien 1859, Wallishausser’sche Buchhandlung [Jos. Klemm], kl. 8°.); – „Oesterreichs Kriegsvölker 1859. Von J. B. J.“ (Wien, Ueberreuter, gr. 8°.); – „Feldsträußchen für die Wiener Freiwilligen, gebunden von einem Wiener“ (Wien, Druck von M. Lell, 8°.); – „Studentenruf“ (Wien 1859, J. B. Wallishausser, gr. 8°.). – Außerdem erschienen viele Predigten, Reden, einzelne Aufrufe und Gedichte.