ADB:Ries, Franz

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Artikel „Ries, Franz“ von Robert Eitner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 28 (1889), S. 569–573, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ries,_Franz&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 02:47 Uhr UTC)
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Ries: Dr. Franz Anton R., ein trefflicher Musiker und Vater der beiden berühmten Musiker Hubert und Ferdinand R. Er war am 10. November 1755 in Bonn geboren und der Sohn des kurfürstl. Kammermusikus Johann R., ein Violinist, von dem es in einem Hofbericht über die kurfürstliche Capelle in Bonn 1784 heißt (Thayer, Beethoven I, 148), daß er schon seit 20 Jahren schwachsinnig sei, ein Gnadengehalt von 150 Rthlr. beziehe und auf Befehl des Kurfürsten nach Köln zu den Alexianern gebracht sei. In demselben Hofbericht lesen wir über den Sohn: „er ist der beste Violinist vor solo, von trefflicher Aufführung, noch jung, verheirathet, 27 Jahre alt (sic ?), dient 18 Jahre und bezieht ein Gehalt von jährlich 400 Gulden.“ Diesen Gehalt bezog er aber erst seit dem Jahre 1780, als er zu seiner weiteren Ausbildung mit Erlaubniß des Kurfürsten sich in Wien längere Zeit aufgehalten hatte und nach Bonn zurückberufen, am 2. März 1780 um Erhöhung seines Gehaltes, der bis dahin nur 25 Rthlr. pro Jahr betrug, bis auf 500 Gulden einkam. Nach nochmaliger Eingabe wurde er endlich am 2. Mai auf 400 Gulden festgesetzt. Als im J. 1791 der Director der kurfürstlichen Capelle Joseph Reicha wegen Kränklichkeit pensionirt wurde, trat R. an seine Stelle, die zugleich den Concertmeisterposten umfaßte. Als darauf die Franzosen 1794 die Rheinlande überschwemmten und das Kurfürstenthum in Frankreich einverleibten, löste sich die Capelle auf und nur R. blieb auf besonderen Wunsch des Kurfürsten in Bonn zurück, so berichtet das Schilling’sche Musiklexikon. Das ist einerseits falsch, denn der Kurfürst floh und überließ seine Lande den Franzosen, er konnte also R. nicht bestimmen, seinen Posten weiter zu behalten. Ob R. in Bonn bleiben mußte, da ihn seine große Familie dazu zwang, oder ob er durch Privatunterricht in Bonn eine gesicherte Stellung genoß, ist bis heute unaufgeklärt, nur soviel wissen wir, daß er in diesen unsicheren Zeiten von der Bürgerschaft Bonns im J. 1800 zum Stadtrath gewählt wurde und daß die Universität in Anbetracht seiner vielseitigen Verdienste ihm die Doctorwürde h. c. ertheilte. Was aber bisher von allen Lexikographen übersehen worden ist, betrifft seine Uebersiedelung nach Bremen, wo wahrscheinlich eine Tochter verheirathet war, die den alten Vater zu sich nahm, denn im J. 1846 zeigte die Zeitschrift Euterpe (S. 31) an: „Am 10. November vorigen Jahres (also 1845) feierte der Bremer Musiker Dr. Franz R., geboren in Bonn am 10 November 1755, der Vater des verstorbenen Ferdinand R. und des königlichen Concertmeisters Hubert R., seinen 90. Geburtstag. Er war noch Concertmeister des letzten kölnischen Kurfürsten, des kunstsinnigen Max Franz, und ein Freund Beethoven’s“ (d. h. nämlich des Vater Beethoven’s). Ganz ähnlich berichtet die Allg. musikalische Zeitung in Leipzig im 47. Bande, Spalte 880. Ein Jahr darauf, am 1. November 1846, starb er, aber nicht in Bonn, wie [570] überall zu lesen ist, sondern in Bremen. – Der alte R. interessirt uns aber ganz besonders durch seine Freundschaft mit der Beethoven’schen Familie in Bonn und als Erzieher seiner beiden Söhne Ferdinand und Hubert. Der junge Beethoven (Ludwig) hat wahrscheinlich bei ihm Violinunterricht genossen, denn sein eigener Vater war Sänger und später Organist, daher im Instrumentenspiel wenig oder gar nicht geübt. Wie groß die Anhänglichkeit Ludwig van Beethoven’s an die Ries’sche Familie war, erfahren wir aus dem Empfange des älteren R., Ferdinand, als er 1801 nach Wien ging und an Beethoven nicht nur einen Lehrer, sondern einen väterlich gesinnten Freund fand, der ihn vor aller irdischen Noth bewahrte.

Ferdinand R., der älteste Sohn Franz Anton’s, nach dem Bonner Intelligenzblatt getauft am 29. November 1784 in Bonn und daher wahrscheinlich am 28. geboren, da man einstmals die Taufe am nächsten Tage der Geburt vollziehen ließ (in den Musiklexika wird der Taufact mit der Geburt verwechselt). Daß sich die Söhne des alten R. der Musik widmeten, war selbstverständlich, und so wird wol auch Ferdinand in der kurfürstlichen Capelle als Sängerknabe gedient haben. Schon im Alter von fünf Jahren begann sein Unterricht unter der Leitung seines Vaters, und später unter der von Bernhard Romberg, dem berühmten Violoncellspieler. Der Einfall der Franzosen, die demselben folgende Abreise Romberg’s von Bonn (1794) und das kleine Einkommen, auf welches Franz R. angewiesen war, machte es ihm (dem Vater) für einige Zeit unmöglich, auf den Unterricht des Sohnes die volle Sorgfalt zu verwenden (so berichtet der Rheinische Antiquarius in Abth. III, Bd. II, S. 62, der eine Biographie Ries’ mittheilt). Der Vater nahm daher das Anerbieten eines Freundes bereitwillig an, Ferdinand mit sich nach Arnsberg (in Westfalen) zu nehmen und einem befreundeten Organisten anzuvertrauen, der ihn im Generalbaß und der Composition unterrichte. Es zeigte sich jedoch, daß unter den beiden der Schüler eher zum Lehren befähigt war; deshalb sah sich der Organist genöthigt, die Sache aufzugeben und dem jungen R. vorzuschlagen, ihn statt dessen im Violinspiel zu unterrichten. In Ermangelung von etwas Besserem wurde dies angenommen und R. blieb in Arnsberg etwa neun Monate, nach deren Ablauf er nach Hause zurückkehrte. Hier blieb er über zwei Jahre und vervollkommnete sich mit großem Eifer in seiner Kunst, und besonders im Clavierspiel. Im J. 1800 oder 1801 ging er mit demselben Freunde, der ihn früher mit sich nach Arnsberg genommen hatte, nach München. Hier war er auf seine eigenen Erwerbsquellen angewiesen; und trotz der schwierigen und entmuthigenden Umstände, die ihn mit geringen Ausnahmen in den nächsten Jahren seines Lebens erwarteten, entwickelte er eine Festigkeit, Energie und Unabhängigkeit der Gesinnung, die um so ehrenvoller ist, als sie sich schon in so früher Jugend geltend machte. In München wurde R. von seinem Freunde mit wenig Geld und nur schwachen Aussichten zurückgelassen. Eine Zeit lang bemühte er sich, Schüler zu bekommen, sah sich aber zuletzt darauf angewiesen, Noten abzuschreiben für drei pence für den Bogen (wie das Musikjournal Londons, „Harmonicon“, am 24. März 1824 in einem biographischen Artikel über R. berichtet, dessen Autorschaft R. sehr nahe stand). Mit diesem kärglichen Verdienste (heißt es dort weiter) hielt er sich nicht nur fortwährend von Verlegenheiten frei, sondern ersparte sich noch einige Ducaten, um nach Wien zu reisen, wo er von Beethoven Schutz und Förderung zu finden hoffte (s. den vorhergehenden Artikel). Mit nur sieben Ducaten in der Tasche verließ er München und erreichte Wien im September oder October 1801 (Thayer, Biogr. Beethoven’s II, 163). Beethoven nahm den jungen Mann mit Liebe und Theilnahme auf, er sorgte für seine äußere Stellung, ließ ihn an manchen seiner künstlerischen Arbeiten theilnehmen und bediente sich bei Abschriften und sonstigen [571] Besorgungen wegen derselben seiner Hülfe. Zum Lehrer in der Composition empfahl er ihm Albrechtsberger, da er selbst, wie er meinte, sich dazu nicht eigne, doch dessen Ausbildung als Claviervirtuos ließ er sich sehr angelegen sein und R. erzählt selbst, daß er oft eine Stelle zehnmal und öfter wiederholen mußte, da Beethoven weniger auf die technische Vollendung als auf einen ausdrucksvollen charakteristischen Vortrag Gewicht legte. R. selbst hat in seiner Beethoven-Biographie eine Reihe Briefe und Zettel von Beethoven aus dieser Zeit von ihm veröffentlicht, die neuerdings im vierten Bande der Vierteljahrsschrift für Musikwissenschaft (Leipzig 1888, S. 83 ff.) eine Vervollständigung erfahren haben und Zeugniß ablegen, wie R. zu ihm theils in dem Verhältnisse eines Famulus, theils als Freund stand und wie er ihm alle die kleinen Beschwerden des menschlichen Daseins abnahm, mit Copien, Correcturen, Besorgungen von allerlei Aufträgen u. A. Leider wurde R. aus diesen Verhältnissen durch das französische Aufgebot zu den Waffen gerissen und mußte sich in Coblenz zur Aushebung stellen. Da er aber schon als Knabe infolge der Blattern den Gebrauch eines Auges verloren hatte, so war er vom Kriegsdienst befreit und benützt die Gelegenheit, Paris zu besuchen. Auf Verwendung Beethoven’s war er von der Fürstin Liechtenstein in Wien wahrscheinlich mit Reisegeld versorgt worden (Brief 10 in der Vierteljahrsschrift). R. erregte dort durch sein brillantes Clavierspiel Aufsehen und fand Anerkennung, wie reichlichen Verdienst. Wir besitzen von Czerny, einem etwas jüngeren Zeitgenossen Ries’, der ebenfalls bei Beethoven aus- und einging, ein Urtheil über dessen Virtuosität. „Mit Ries“, schreibt er, „spielte ich oft auf zwei Fortepianos, unter anderem auch die Sonate op. 47, die ich zu dem Ende auf zwei Claviere arrangirt hatte. R. spielte sehr fertig, rein, aber kalt.“ Die letztere Eigenschaft theilte er mehr oder weniger mit allen damaligen Virtuosen bis in die vierziger Jahre unseres Jahrhunderts; sie ist charakteristisch für diese Periode. Die technische Ausbildung wurde bei den Violin- wie Clavierspielern (die übrigen Instrumente, die einst sämmtlich als Soloinstrumente im virtuosen Sinne behandelt wurden, ganz ausgeschlossen) in dem Maße in den Vordergrund gestellt, daß das musikalische Empfinden völlig zurücktrat. Die Virtuosität war nicht das Mittel, um das Kunstwerk in der höchsten Vollendung vorzutragen, sondern um ihrer selbst willen da. Deshalb schrieb jeder Virtuose sich seine Compositionen selbst so zu sagen mundgerecht, worin er in jeder Weise den Zuhörer durch unerhörte Kunststücke zu verblüffen suchte. Thalberg, Ernst, Ole Bull, Paganini u. a. waren die letzten Ausläufer und wurden verdrängt durch Liszt, Mendelssohn, Chopin, Joachim u. a., denen die Virtuosität nur das Mittel war, das Kunstwerk in höchster Vollendung zu Gehör zu bringen. Mit ihnen verschwand auch die Virtuosenlitteratur und traten die Classiker in ihre Rechte ein. – Paris hatte R. vollständig in die Virtuosenlaufbahn gedrängt und er eilte nun von Ort zu Ort, um sich als Virtuose bewundern zu lassen. Das nächste Ziel war Rußland. Da er den Weg nach Norden über Hamburg, Kopenhagen und Stockholm wählte, in allen größeren Städten concertirend, so mußte er dann zu Schiff nach Petersburg. Dabei hatte er das Unglück, von einem englischen Schiff auf der See angehalten zu werden, der Grund ist unbekannt. Er und sämmtliche Reisende wurden auf einer wüsten Felseninsel ausgesetzt, wo man sie erst nach acht schrecklichen Tagen aus ihrer Lage erlöste. Wenn R. dies Intermezzo nicht selbst in seiner biographischen Skizze erwähnte, würde man es für eine romanhafte Erfindung halten. Wahrscheinlich hing es aber mit den Franzosenkriegen zusammen, denen England zur See die Spitze bot. Die ersteren sollten zum dritten Male störend in seinen Lebensplan eingreifen, als er in Petersburg mit seinem einstigen Lehrer Bernhard Romberg Concertreisen im russischen Reiche unternahm und gerade zu der [572] Zeit nach Moskau kam, als Napoleon seine Eroberungspläne bis dorthin ausdehnte. Er verzichtete auf weitere Reisen in Rußland und wandte sich im März 1813 nach London. Hier erzielte er durch seine Concerte, seine Compositionen und als Lehrer so ungeheure Erfolge, daß sein Name wie ein Stern erster Größe erglänzte und über ganz Europa seinen Glanz verbreitete. Seine Claviercompostionen fanden einen reißenden Absatz und er war eine Zeit lang der Günstling bei Verleger und Publicum. Er schrieb nicht nur unzählige Compositionen im kleinen Genre, wie Rondos, Variationen, Fantasien, sondern auch Sonaten für Clavier allein, 20 Sonaten für Clavier und Violine, 5 Trios, 3 Quartette, 1 Quintett, 2 Sextette, 1 Octett, 1 Septett, 1 Violinconcert, 9 Clavierconcerte, 3 Ouvertüren für Orchester, 6 Symphonien, 2 Oratorien („Der Sieg des Glaubens“ und „Die Anbetung der Könige“), 3 Opern („Die Räuberbraut“, „Liska“ und „Eine Nacht auf dem Libanon“). Man zählt über 200 Werke. Wer in den vierziger Jahren seine musikalische Erziehung genossen hat, der wird sich entsinnen, daß Ries’sche Kammermusik noch zu den beliebtesten und gesuchtesten Werken gehörte und gegen Herz, Steibelt und andere Componisten dieser Art immer noch als die vornehmere, ja selbst für classisch galt. Seine Erfindungsgabe war nicht bedeutend, sein Passagenwerk, welches in damaliger Zeit einen Hauptbestandtheil jeder Claviercomposition bildete, war weder originell noch elegant, sondern bewegte sich mehr oder weniger in dem ausgetretenen Wege, doch er hatte sich an Beethoven’s Septett, der einzigen Composition Beethoven’s, die überhaupt Gnade vor dem Publicum fand, die eigene Art von Lieblichkeit und einschmeichelnder Süßigkeit so in sich aufgenommen, daß sein ganzes Empfinden darin aufging und mit dieser einschmeichelnden erborgten Empfindungsweise eroberte er sich das musikalische Publicum und beherrschte es bis nach seinem Tode. – Sein Londoner Aufenthalt gab Beethoven Gelegenheit, mit den englischen Verlegern in Verbindung zu treten und R. war der Vermittler, diese Verbindungen anzuknüpfen und die Correspondenz zu führen, ebenso setzte er Beethoven mit der englischen Concertgesellschaft „Philharmonic“ in Verbindung und eröffnete dadurch seinem hochverehrten Meister ergiebige Einnahmequellen. Wenn man die Briefschaften liest, die zwischen Beethoven und R. getauscht wurden – sie sind zum größten Theile gedruckt – so muß man Ries’ Geduld bewundern, der bei seiner eigenen anstrengenden Thätigkeit und den zeitraubenden weiten Wegen immer Zeit fand und immer bestrebt war, Beethoven zu helfen und seine Wünsche auszuführen. Dieser schöne Charakterzug ist bei einem vom Glück begünstigten Künstler nicht hoch genug anzuschlagen und gibt das beste Zeugniß einer edlen Gesinnung und auch den Beweis, daß er selbst für die erhabenen Leistungen der letzten Werke Beethovens Verständniß besaß, denn sonst hätte er wol der neunten Sinfonie, die zuerst in London aufgeführt wurde und zwar nur auf seine und Moscheles’ Veranlassung, nicht jene aufopfernde Thätigkeit und Verwendung entgegengebracht. Im J. 1824 verließ er London, um eine ganz unverhoffte Erbschaft anzutreten, die er oder seine Frau in Godesberg am Rhein in der Form eines Landbesitzes gemacht hatten. Hier widmete er sich in Behaglichkeit ganz allein der Composition größerer Werke, darunter die romantische Oper „Die Räuberbraut“, die ihren Weg über viele Bühnen Deutschlands machte und in Leipzig, Kassel, Lüttich, Mainz, selbst 1830 in Berlin lebhaften Beifall fand. Auch in Weimar scheint sie 1830 ein Zugstück gewesen zu sein, denn Goethe spricht sich gegen Mendelssohn in scherzhafter Weise über sie aus (Mendelssohn’s Briefe I, 3). Mendelssohn schreibt: „Da ging’s denn über Alles her; von der „Räuberbraut“, von R. meint er (Goethe), die enthielte Alles, was ein Künstler jetzt brauche, um glücklich zu leben: einen Räuber und eine Braut.“ Auch die übrigen Opern und die Oratorien mögen an dem Ruheplatze in dem bewegten [573] Leben des Virtuosen entstanden sein. Erst 1831 schreckte ihn der Bankerott eines englischen Bankhauses, wo er seine Ersparnisse angelegt hatte, aus der stillen Zurückgezogenheit; zu gleicher Zeit hatte man ihn in Dublin eingeladen, das dortige Musikfest zu dirigiren, und um die Reise nach allen Seiten hin auszunutzen, nahm er noch seine soeben vollendete zweite Oper „Liska, oder die Hexe von Gyllensteen“ mit, um deren Aufführung auf einer englischen Bühne zu betreiben. Als er das Reiseleben wieder gekostet, den Beifall der Menge in Fülle genossen hatte, geehrt und gefeiert, wo er sich hinwendete, scheint es ihm in der Stille seines Landhauses nicht mehr behagt zu haben, denn 1832 und 34 dirigirt er die rheinischen Musikfeste, bei denen auch seine größeren Werke zur Aufführung gelangen, in der Zwischenzeit machte er eine Reise nach Italien bis nach Neapel. 1835 dirigirt er das Aachener Musikfest und übernimmt dann fest die Stellung eines städtischen Musikdirectors, 1836 siedelt er aber bereits nach Düsseldorf über und übernimmt dort eine ähnliche Stelle, macht auch in demselben Jahre noch eine Reise nach Paris. 1837 übernimmt er die durch Schelble’s Tod und Mendelssohn’s Weggang aus Frankfurt a. M. freigewordene Dirigentenstelle am Cäcilienverein. Mendelssohn war mit dieser Uebernahme wenig einverstanden, da des Cäcilienvereins Aufgabe hauptsächlich in der Pflege der Werke Bach’s und Händel’s bestand und R., wie Mendelssohn am 29. Mai 1837 an seine Schwester Fanny schreibt, es an dem nöthigen Respect vor den großen, alten Kunstwerken fehlt. R. sollte nicht lange dem Vereine vorstehen, denn schon am 13. Januar 1838 rief ihn der Tod plötzlich ab. R. wäre wol ebenso vergessen, wie die meisten Componisten aus der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts, wenn er nicht im Vereine mit dem Medicinalrath Dr. F. G. Wegeler eine kleine Biographie Beethoven’s herausgegeben hätte (Coblenz bei Baedeker 1838, in 8°, 164 Seiten), die durch eine getreue und liebevolle Zusammenstellung von biographischen Notizen, Mittheilungen von Briefen, Notizen über die Entstehung verschiedener großer Compositionen des Meisters, nebst einem Schattenriß und drei Facsimile, sich vor vielen anderen älteren Biographien über Beethoven auszeichnete. Das kleine Buch ist und bleibt, trotz den neueren größeren Werken über den unsterblichen Meister, immer noch eine geschätzte und gesuchte Quelle und Ries’ Name verbindet sich daher mit dem Beethoven’s in vielerlei Weise: erst als Schüler, dann als treuer Helfer und dann schließlich als der beste wahrheitsgetreueste Biograph.