ADB:Cannabich, Christian

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Artikel „Cannabich, Christian“ von Arrey von Dommer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 3 (1876), S. 759–760, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Cannabich,_Christian&oldid=- (Version vom 18. April 2024, 16:29 Uhr UTC)
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Cannabich: Christian C., ausgezeichneter Violinspieler, Concertmeister, Lehrer und Componist, geb. zu Mannheim 1731, Sohn des dortigen Flötisten und Kammermusikus Matthias C. Nachdem sein Vater ihm den ersten Unterricht ertheilt hatte, unterwies ihn der berühmte Geiger und Concertmeister Johann Stamitz auf der Violine und in der Composition, worauf der Kurfürst Karl Theodor ihn nach Italien schickte, wo er drei Jahre blieb und seine Compositionsstudien hauptsächlich bei Jomelli fortsetzte. Im J. 1765 wurde er Concertmeister und Anführer der italienischen Oper, darauf 1775 Musikdirector der Mannheimer Capelle, mit welcher er in derselben Stellung auch 1778 nach München übersiedelte. Er starb 1798 zu Frankfurt a/M., wohin er von München gereist war, um seinen Sohn Karl zu besuchen. Er war einer der ersten Sologeiger Deutschlands, noch ausgezeichneter aber als Führer des Orchesters und als Lehrer im Violinspiele. Die Mannheimer Capelle, welcher die besten Künstler ihrer Zeit angehörten, war schon durch Johann Stamitz auf eine außerordentliche Höhe gebracht und durch ihr vortreffliches Zusammenspiel, besonders aber durch ihre vor dem noch nicht gekannte Feinheit der Schattirungen, die erste von Deutschland. „Hier ist der Geburtsort des Crescendo und Diminuendo, und hier war es, wo man bemerkte, daß das Piano (welches vorher hauptsächlich als ein Echo gebraucht und gemeinlich gleichbedeutend genommen wurde) sowol als das Forte, musikalische Farben sind, die so gut ihre Schattirungen haben, als Roth oder Blau in der Malerei“, sagt Burney (Reise II, 74). C. war ein [760] würdiger Nachfolger seines Lehrers Stamitz und als Führer des Orchesters nicht weniger tüchtig und begabt als jener: „Er ist von der Natur selbst zum Concertmeister gebildet. Man kann die Pflicht des Ripienisten nicht vollkommener verstehen, und er besitzt die Gabe, mit dem bloßen Nicken des Kopfes und Zucken des Ellenbogens das größte Orchester in Ordnung zu halten. Er ist eigentlich der Schöpfer des gleichen Vortrages im Pfälzischen Orchester und hat alle jene Zaubereien erfunden, die jetzt Europa bewundert. Das Colorit der Violinen hat vielleicht noch Niemand so durchstudirt, wie dieser Meister“ (Schubart, Aesthetik der Tonk., 137). Ebenso vortrefflich war er als Lehrer, namentlich in der Ausbildung tüchtiger Orchesterspieler; die meisten Violinisten des Mannheimer Orchesters waren seine Schüler. Daneben erwarb er sich durch seinen männlichen festen Charakter Liebe und Hochachtung; auch Mozart, der in Mannheim viel bei ihm aus und einging und seine begabte Tochter Rosa im Clavierspiele unterrichtete, schätzte ihn ungemein. Die Composition soll er zwar mehr geliebt haben als sein Violinspiel, doch hat seine Pflege derselben keine bleibenden Früchte getragen. Nach Schubart’s Ausspruche war er „ein Denker, ein fleißiger geschmackvoller Mann, aber kein Genie“. Seine Opern (darunter „Azakaja“, 1778 zu Mannheim gedr.; „La Croisée“, Kom. Oper, 1788 zu Paris aufgef. ; „Angelika“, Operette, und „Elektra“, beide zu München) haben keine weiteren Erfolge gehabt. Beliebter, wiewol auch nicht von Dauer, waren seine Ballette („La descente d’Hercule aux enfers“; „Cortey et Thelayre“, 1794 zu Berlin aufgef.). Von seinen ehemals viel gespielten Symphonien, Concerten, Quatuors, Duos und anderen Instrumentalsachen ist eine Anzahl in Deutschland, sowie zu Paris und London im Drucke erschienen.

Karl C., angesehener Musikdirector, Componist und Violinspieler, Sohn des vorhergehenden Christian C., geb. zu Mannheim 1771. Schon frühe von seinem Vater für die Musik bestimmt, empfing er, als er 9 Jahre alt war, von dem berühmten Friedrich Eck Unterricht im Violinspiele, studirte Generalbaß bei dem Münchner Hofcembalisten Grätz, und machte bereits im Alter von 12 Jahren mit dem ausgezeichneten Oboisten Lebrun eine erfolgreiche Kunstreise durch Deutschland. Schon 1784 wurde er Hofmusicus in München, ging 1785 auf zwei Jahre nach Italien, studirte aber nach seiner Rückkehr noch Composition bei Peter Winter. Im J. 1796 erhielt er einen Ruf als Musikdirector nach Frankfurt a/M., den er mit Bewilligung seines Hofes auf vier Jahre annahm; 1798 empfing er den Titel eines pfalzbairischen Concertmeisters, wurde 1800 nach München zurückgefordert und im nächsten Jahre zum Musikdirector ernannt, starb aber schon 1. Mai 1806, nachdem er im Jahre vorher noch auf Kosten seines Hofes in Paris gewesen war, um die Einrichtung des dortigen Conservatoriums kennen zu lernen. Seine Frau, Josephine, Tochter des Componisten Woraleck, war eine recht gute Sängerin. Auch er theilte mit seinem Vater und Johann Stamitz die außerordentliche Fähigkeit zur Leitung des Orchesters, und die Blüthe der Münchner Hofcapelle dauerte unter ihm fort. Als Solospieler soll er angenehm, aber nicht groß gewesen sein und seinem Vater bedeutend nachgestanden haben; als Componist besaß er gute Anlagen und war beliebt. Zwei Opern von seiner Arbeit, „Orpheus“, und „Palmer und Amalie“, fanden Beifall; außerdem schrieb er ein Ballet, „Axur“; Musik zum Schauspiele: „Die Wallfahrt zur Königsgruft“; eine Gedächtnißfeier Mozart’s; einzelne Arien, Canzonetten, deutsche Lieder, Trios, Duos, Variationen und andere Instrumentalsachen. Gerber führt 12 gedruckte Opera an, darunter eine Symphonie.